Moderner als die bisherigen oberbergischen Eisenbahnstrecken sollte sie sein: Die 1908 eröffnete Eisenbahnstrecke Hermesdorf - Morsbach. Die 7,1 Kilometer lange Strecke kommt fast ohne Bahnübergänge aus, die Brücken wurden in damals hochmoderner Stampfbetontechnik errichtet und der Kömpeler Tunnel ist mit 786 Metern für eine Nebenbahn ungewöhnlich lang.

Neues Leben auf der Strecke

Mehr als hundert Jahre nach der Eröffnung und über zwei Jahrzehnte nach der letzten Zugfahrt kehrte in diesen Tagen Leben auf die Strecke zurück. Im Jahr 2008 hat die Rhein-Sieg-Eisenbahn die Betriebsgenehmigung für diese Strecke erhalten. Heute ist die Strecke wieder mit Arbeitszügen bis in den Endbahnhof hinein befahrbar. Unser Ziel: Tourismus- und Güterverkehr auf der Strecke. Und Personen-Nahverkehr. Neun Minuten würde ein umweltfreundlicher Triebwagen von Morsbach nach Hermesdorf brauchen, weitere fünf nach Waldbröl. Damit wäre die Strecke dann wieder so up to date wie vor über hundert Jahren.

Die Strecke: Ein Brückenschlag

Die Strecke weist nicht nur interessante Brücken auf, sondern ist selbst ein Brückenschlag: sie verband die 1890 eröffnete Strecke Wissen (Sieg) - Morsbach mit der 1906 in Betrieb gegangenen Wiehltalbahn. Fortan war eine durchgehende Verbindung von der Agger an die Sieg geschaffen. Für den Durchgangsverkehr wirklich bedeutend war die Verbindung allerdings allein während der Ruhrbesetzung in den zwanziger Jahren, als Frankreich und Belgien das Ruhrgebiet besetzt hatten und auch das Rheinland unter ihrer Verwaltung stand. Seinerzeit fuhren so viele Umleiter-Güterzüge über Dieringhausen, Hermesdorf und Morsbach, dass der Personenverkehr eingeschränkt werden musste.
 
Am 1.10.1908 wurde die Eisenbahnstrecke Waldbröl - Hermesdorf - Morsbach offiziell eröffnet. Damit schloss sich die letzte Schienenlücke in der Nord-Süd-Verbindung von der Ruhr bis zur Sieg durch das Bergische Land. Bereits 1890 hatte Morsbach mit der Strecke nach Wissen (Sieg) Anschluss an das überregionale Eisenbahnnetz erhalten.
 
Der Bau der Strecke von Hermesdorf nach Morsbach war wegen der Topografie nicht einfach. Der Höhenrücken zwischen Geiningen und Kömpel musste mit einem 786 Meter langen Tunnel überwunden werden. Beim Bau halfen 1905 bis 1907 auch erste Gastarbeiter aus Italien mit. Außerdem waren fünf Brücken und Viadukte erforderlich, um Taleinschnitte zu überqueren.

Pionierbauten in Beton

Diese Betonbauten sind bauhistorisch besonders interessant. Beton war damals schon ein bekannter und genutzter Baustoff. Wie etwa 100 Jahre zuvor bei Eisen und Stahl fehlten jedoch die Erfahrungen damit. Die statischen Grundlagen wurden nach 1900 geschaffen, so dass erst dann vermehrt Betonbauten entstanden. Die Brückenbauwerke zwischen Hermesdorf und Morsbach zählen zu den Pionierbauten dieser Stampfbetonbauweise in Deutschland.
Das Stampfbeton-Viadukt bei Heide während des Baus 1904/05.

Bauten und Gleise unter Denkmalschutz

Der unter Denkmalschutz stehende Bahnhof in Morsbach erinnert heute noch an die Verkehrserschließung der „abgeschnittenen Republik“. Er wurde um 1898 erbaut und 1982 wegen der einst üblichen Stilmerkmale der königlich-preußischen Eisenbahn in die Denkmalliste aufgenommen. In der Verfügung heißt es: „An der Erhaltung des Gebäudes besteht wegen der landschaftlich geprägten Ausgestaltung des preußischen Einheitstyps für Bahnhofempfangsgebäude, aber auch wegen der besonderen Dachkonstruktion ein öffentliches Interesse.“
 
Die Bezirksregierung Köln hat die Bahnstrecke 2003 als Ganzes unter Denkmalschutz gestellt. In der Begründung heißt es: "Die Wiehltalbahn mit dem Abzweig nach Morsbach ist als Teil der Industrie- und Wirtschaftsgeschichte des Oberbergischen bedeutend für die Geschichte des Menschen und für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse. Die Erhaltung des Denkmals liegt aus künstlerischen und wissenschaftlichen, besonders aber architektur-, technik- und regionalgeschichtlichen Gründen im öffentlichen Interesse."
 
Das Empfangsgebäude in Morsbach zählte zu den ersten Bestandteilen der Wiehltalbahn, die unter Denkmalschutz gestellt wurden.
Inzwischen steht die Strecke in ihrer Gesamtheit unter Schutz - samt aller Bauten, Dämme, Einschnitte, des Tunnels und der Gleise..
 
Betrachtet man die Bahnlinie aus industriegeschichtlicher Sicht, so diente sie, neben dem Personentransport, anfangs dem Bergbau zur Eisenerzbeförderung, später wurde Holz transportiert, aber auch in Morsbach gefertigte Produkte wie Bauwagen, Container und Eisenerzeugnisse.

Die abgeschnittene Republik

Das 1905 erbaute Viadukt in Heide wurde 1945 beim Herannahen der amerikanischen Soldaten von Deutschen gesprengt. Die Züge aus Waldbröl endeten bis zur Reparatur im Jahr 1949 an einem Notbahnstieg vor dem Viadukt. Durch die kriegsbedingten unterbrochenen Eisenbahn- und Straßenverbindungen nach Wissen und Waldbröl war Morsbach quasi von der Außenwelt abgeschnitten und erhielt damals den Beinamen „abgeschnittene Republik“.

Der Personenzugverkehr von Morsbach nach Waldbröl wurde 1960 eingestellt. Die „Doorfdeuwel“ gaben dem Abschiedszug damals auf ihre Weise mit einem Trauerkranz das letzte Geleit. Lediglich noch Nostalgiezüge wie der Trans-Europa-Express fuhren in den 1970er und 1980er Jahren den Kopfbahnhof Morsbach an. Der letzte Güterzug befuhr 1994 die Strecke.

Hochrangiger Besuch: der ehemalige TEE 601 (Trans Europa Express) als "Dicker Sauerländer" in Morsbach.

 
Ein gemischter Güterzug, der unter anderem Bauwagen befördert, im Bahnhof Morsbach (Foto: Axel Johanßen).

Gegen Widerstände: Die Bahn darf fahren

Das Ansinnen unseres 1994 gegründeten Förderkreises, die Strecke gemeinsam mit der Wiehltalbahn für modernen Personen- und Güterverkehr sowie für Tourismuszüge zu nutzen, stieß unter damals regierenden Politikern auf wenig Gegenliebe. Man konnte sich vieles vorstellen, nur nicht Bahnverkehr. So erwarben die Städte und Gemeinden, in denen Wiehltalbahn und die Morsbacher Strecke verlaufen, die Strecken - die Gemeinde Morsbach zahlte dafür lediglich einen symbolischen Euro.
 
Zwar entsprach das Eisenbahn-Bundesamt dem Antrag der Gemeinde Morsbach auf Entwidmung der Strecke 2007, das heißt, die Bahnstrecke war nun keine Bahnstrecke mehr. Die Rhein-Sieg-Eisenbahn GmbH (RSE) und wir als Förderkreis zur Rettung der Wiehltalbahn e.V. erhoben dagegen jedoch Klage.
 
Unterdessen erteilte das Verkehrsministerium des Landes NRW der RSE am 28. August 2008 die Genehmigung zum Betrieb der Eisenbahnstrecke Hermesdorf - Morsbach bis 2058, wogegen wiederum die Gemeinde Morsbach Rechtsmittel einlegte.
 
chlussendlich wurde diese Klage abgewiesen (lesen Sie dazu auch den Beitrag in unserem Archiv vom 14. November 2008). Die Strecke Hermesdorf - Morsbach bleibt, was sie ist: Eine Eisenbahnstrecke.
Auf in ein neues Leben!
 
Seit kurzem geht´s wieder durch den Tunnel: Ein Wiehltalbahn-Arbeitszug im Kömpeler Tunnel (September 2008, Foto: Ulrich Clees).